Es ist nicht immer alles super

Ich schreibe das jetzt lieber gleich, weil ich morgen sicher wieder alles spannend und aufregend finde. Die Wahrheit ist aber, dass hier nicht immer alles spannend und aufregend und erfolgreich ist.

Wir wurden in der Vorbereitungszeit ermutigt, nicht nur Positives zu erzählen sondern auch die Schwierigkeiten fest zu halten. Das soll uns helfen die Veränderung zu verarbeiten, und auch anderen ein transparentes Bild zu geben. Das mal dahin gestellt… ich werde jetzt einfach Vollgas sudern (österreichisch für meckern) und mich selbst bemitleiden. Bitte also nur weiterlesen, wenn ihr sowas interessant findet.

Gestern sind wir von der Küste nach Hause zurückgekehrt. Die Reise dauerte ca. 11 Stunden und ist eigentlich problemlos verlaufen. Aber ich war „miserable“. Ich hatte am Vortag was Falsches gegessen und mir war die ganze Zeit übel und ich hatte Schüttelfrost (in dem Beitragsbild war dann die Layla mit Essenvergiftung dran – sie tut mir da so leid).

In Nairobi angekommen hat die Polizei mein geliebtes Leatherman – ein Geschenk von Freunden – anfangs nicht finden können. (Sie hatten es vor der Reise beschlagnahmt. Zugfahren hier hat mehr Sicherheitsmaßnahmen als internationales Fliegen.) Nach Gesprächen mit vielen verschiedenen Beamten, manuelles Durchsuchen von ganzen Kübeln voller Messer und Scheren und ähnliches und wiederstand gegen vielen Ermutigungen von „come back tomorrow“ habe ich es endlich gefunden. Ich haben den Security-Typen fast geküsst vor Freude. Daheim angekommen, als die Kinder in ihren Betten gekuschelt waren bin ich dann am Klo gesessen als der Strom ausgefallen ist. Es ist hier wirklich dunkel wenn nachts der Strom weg ist, dabei am Klo zu sitzen…  

Die Stromleitung für die ganze Wohnanlage ist durch unser Dach verlegt. Es ist auch der Lieblingszugang für die Affen. Das hin und her schwingen führt manchmal dazu, dass die Leitung abreißt.

Super.

Heute bin ich müde aufgewacht, erbrechen ist nicht gegangen und mir war kalt. Liza braucht Hilfe weil die Waschmaschine nicht angeht. Ich schleppe mich raus zum Wäscheraum und sehe, dass der Regen rein geronnen ist und die ganze Steckdose geschmolzen ist. Wir verlegen eine Verlängerungskabel vom Haus. Passt. Läuft. Als die Wäsche aber draußen aufgehängt ist fängt es an zu regenen, alles hat jetzt rostbraune Flecken und kann wieder gewaschen werden.

Super.

Die Straßen teilt man nicht nur mit lebensgefährliche Matatus (Minibusse mit über 20 Passagieren), sondern auch mit Mann- oder Eselkarren und irgendwelchen Tieren

Ich habe aber trotz Allem ein Geschenk für Layla’s Geburtstag abholen wollen. Dank dem Verkehr in Nairobi bedeutet das über eine Stunde hin fahren, nur um zu schauen ob das Ding funktioniert bevor ich’s kaufe (im Vertrauen was bestellen geht hier nicht – habe ich auf teure Weise gelernt). Zum Kaufen braucht man aber Geld. An der Küste haben wir alles aber schon aufgebraucht und Geld von unserem Konto in Österreich hierher beschaffen ist immer ein wenig kompliziert, aber einfach unmöglich ohne Internet. Kein Strom = kein Internet!

Super.

Ich geh raus zum Auto, Batterie ist Tod. Während wir weg waren haben Handwerker im Carport gewerkelt (Termiten haben die Holzträger weggefressen) und das Auto wegstellen müssen. Sie haben wohl das Licht angelassen oder irgendwas. Weil es eine Automatikschaltung hat, kann ich’s nicht mal den Hügel runter schubsen wie beim anderen Auto (beim anderen Auto ist die Batterie überhaupt ganz kaputt). Ich rufe alle an die mir vielleicht helfen können und erreiche niemand.

Wenn es regnet gibt es schnell mal Überschwemmungen. Das treibt die Termiten aus ihren Bauten und sie fliegen meistens zum nächsten Licht… in diesem Fall das Nachtlicht vor meinem Büro. Wenn sie unter der Tür rein kriechen verlieren sie ihre Flügel. Die Frage ist jetzt… wo sind die Termiten alle hin?

Super.

Vielleicht könnte ich das Auto von der Nachbarin nah genug ran fahren, um drei Starterkabel kettenartig zusammen zu hängen, um über die Mauer die zwei Batterien zu verbinden. Da sie schon seit zwei Wochen kein Strom hat, geht die Klingel nicht, und sie lädt ihr Handy im Auto auf. Ich steh draußen und brülle herum bis sie raus kommt. Sie ist voll nett und ich darf ihr Auto ausborgen. Beim im Schlamm möglichst nah dran fahren versuchen… reise ich ein Loch in ihrer Beifahrertür.

Super.

Wir haben zu wenig essen, können aber nicht Essen kaufen fahren. Unser Wasserfilter ist auch kaputt. Das Hundefutter ist auch alle.

Der Versuch die Batterien zu verbinden gelingt nicht. Ich habe zwei Autos die nicht fahren. Morgen früh müssen wir auf eine Konferenz und ich weiß nicht wie wir hinkommen. Das Geschenk von der Layla habe ich auch nicht holen können.

Das Auto der Nachbarin richten wird teuer. Ich fühle mich noch schlimmer weil diese liebe Frau nicht mal sauer auf mich ist.

Die Wäsche ist wieder dreckig. Wir haben Hunger und Durst. Es ist kalt und ungemütlich und mir ist schlecht. Und ich habe noch die Liza und die Kinder in meiner Gereiztheit angefaucht.

Was mache ich eigentlich hier?

Eine Stunde Später…

Meine Mädels haben mich vergeben und ich sitze im Bett, wo ich hin gehöre. Mir ist nicht mal so übel.

Die Sonne ist wieder da und die Vögel zwitschern in den Blumen vorm Fenster.

Ich habe drei aktive, glückliche, flexible Mädels in meiner Familie. Die kleinen haben sich ein Schloss im Kinderzimmer gebaut, wenn die Wäsche eh schon dreckig ist…

Liza zaubert in der Küche irgendwas Wohlduftendes aus unseren Reserven. Wenn wegen Stromausfall das tiefgekühlte Essen eh auftaut ist…

Strom und Internet gehen wieder und wir haben wieder Geld. Die Verkäuferin auf der anderen Stadtseite hat gemeint ich kann Layla’s Geschenk am Montag holen, sie verkauft es bis dahin nicht.

Benson – der Alles-Könner hier am Gelände – ist 3 Stunden aus Nakuru her gefahren und führt jetzt beide Autobatterien mit seinem Moped zum Mechaniker, vielleicht kann ich morgen wieder selber fahren?

Ich darf hier ein Abenteuer erleben, wichtige Arbeit leisten die mich erfüllt. Gott liebt mich und vergibt mir meine Fehler immer und immer wieder. Er beschenkt mich auf allen Ebenen…

Was will man mehr?