Verflucht
Einmal in der Woche gehe ich an den Madukani, unseren Marktplatz, um Obst und Gemüse zu kaufen. An dem Platz trifft sich gerne die Dorfgemeinschaft und tauscht sich aus. Ich bin gerne dort, denn da lerne ich mehr über meine Nachbarschaft. Diesmal bin ich mit Josefine, einer kenianischen Freundin, mit dem Auto auf dem Weg dorthin. Plötzlich muss ich stark bremsen, denn vor mir quert eine Frau mit einem enormen Buckel die Straße. Zuerst denke ich, dass sie eine alte Schoscho (Oma) ist, die zu viel Feuerholz in ihrem Leben geschleppt hat, doch dann erklärt mir Josefine: „Diese Frau ist in ihren Dreißigern. Sie ist verflucht, weil sie als Kind respektlos zu ihrer Mutter war. Jetzt ist sie ausgestoßen und lebt allein.“ Die Frau könne seither nicht mehr aufrecht gehen, ihr Kinn reicht ihr beinahe bis zu den Knien.
Ich bin verwundert und verwirrt zugleich. Es ist nicht das erste Mal, dass ich von Verfluchungsgeschichten höre. Auch in der „healing group“ (Traumaverarbeitungs-Gruppe), die ich mit 8 Frauen aus der Nachbarschaft angefangen habe, höre ich immer wieder von der großen Angst, verflucht und dann hart ausgegrenzt zu werden. Verfluchte Menschen haben keine Hoffnung mehr und enden häufig im Alkoholismus oder anderen ungesunden Copingstrategien. Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit sind hier vielleicht noch schlimmere „Epidemien“ als COVID. In einer Angst-& Schamkultur, wie sie in Kenia herrscht, sind unsichtbare Mächte Realität. Die Menschen beugen sich oft aus Angst vor den unsichtbaren Mächten, um sie wohlzustimmen und auf ihre Seite zu ziehen. In diesem Moment denke ich an die Bibelworte im Galaterbrief: „Um frei zu sein hat euch Jesus befreit“ (Galaterbrief 5,1) Wie viele Menschen wohl noch in unserer Nachbarschaft rumlaufen, beladen mit Schwüren, von denen sie frei sein könnten?
Geschichten wie diese geben mir die Motivation für meine Arbeit hier. Ich möchte die „healing groups“ für alle bedürftigen Frauen zugänglich machen und in den Gruppen einen Ort des Vertrauens schaffen, an dem man seine Geschichte erzählen darf, ohne Angst haben zu müssen, als Schwächling abgestempelt zu werden. Die Frauen dürfen in den Gruppen verstehen lernen, was die Seele braucht, um zu heilen. Solche Erfahrungen können in manchen Fällen Leben retten.
Vor einigen Wochen startete ich gemeinsam mit meiner Haushaltshilfe Mumbi und einer Freundin eine neue „healing group“ im Nachbarsort. Wenn du wissen willst, wie es dazu kam, klicke hier für den vollen Beitrag.
Blick in die Zukunft
Nächsten Monat schließen wir unseren ersten „3-Jahres-Term“ ab. Viele von euch haben uns in diesen 3 Jahren treu begleitet, haben uns ermutigt und finanziell unterstützt. Dass unsere Finanzen jeden Monat ausgereicht haben, ist eines der großen Wunder, die wir erlebt haben. Vielen Dank an die über 100 „Möglichmacher“! Wir haben den Eindruck, dass unsere Zeit hier noch nicht zu Ende ist und so starten wir im Herbst in den nächsten Term.
Da es sich nun nicht mehr um einen Kurzeinsatz handelt, mussten wir in unserem Finanzplan auch Langzeitposten wie z.B. die Pensionsvorsorge veranschlagen. Dies und ein paar andere Veränderungen erhöhen unser monatliches Budget für den nächsten Term.
Ihr könnt euch vielleicht noch an unseren Löwen erinnern, der braucht nun wieder etwas Farbe 😊. Ab September benötigen wir rund 700 Euro zusätzlich monatlich. Wenn du zu einem „Möglichmacher“ werden möchtest, freuen wir uns über deinen Beitrag.
Dankbar…
- für die letzten 3 Jahre hier und für alle, die es möglich gemacht haben
- dass Noemi ihr erstes Jahr in der High-School so erfolgreich gemeistert hat
- für eine bereichernde Männerrunde für David in Kijabe
Hoffnungsvoll…
- dass die Wahlen in Kenia im August friedlich durchgeführt werden
- dass Lisa Klarheit bekommt über ihren Arbeitsbereich im kommenden Jahr (eventuell Psychologie unterrichten)
- für erfüllende Begegnungen in Österreich mit Familie und Freunden
Liebe Grüße aus Kenia, wir freuen uns schon sehr auf die Zeit mit euch!
Seid gesegnet,
Die Miners